Sozialpolitische Entwicklung: Die Fleischwirtschaft in Deutschland

Die Ernährungsindustrie ist über 550.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in 6.000 Betrieben sozialpolitisch betrachtet der zweitgrößte Industriezweig in Deutschland. Sie vereint verschiedene Sparten von Süßwaren, über alkoholische und nichtalkoholische Getränke, Obst- und Gemüseverarbeitung bis hin zu Fisch und Fleisch.


Die Deutsche Fleischindustrie ist der umsatzstärkste und beschäftigungsintensivste Bereich innerhalb der deutschen Ernährungsindustrie. Sie hat in den letzten Jahren einen erheblichen sozialpolitischen Wandel vollzogen.

Ausgangslage

•Die Fleischindustrie hatte nie einen eigenen sozialpolitischen Spitzenverband auf Bundesebene.
•Die Unternehmen der Fleischindustrie waren nur sehr vereinzelt Mitglied in ANG-Landesverbänden.
•Tarifbindung gab es in der Fleischwirtschaft kaum.
•Die Fleischindustrie wirtschaftet seit Jahren sehr arbeitsteilig über den Einsatz von Subunternehmer.
•Ein erheblicher Anteil der Beschäftigten kommt aus dem osteuropäischen Ausland.
•Viele (Sub-)Unternehmer arbeiteten über sog. Entsendungen.

Der Wandel – zwei Meilensteine

2014 Mindestlohntarifvertrag

Im Jahr 2013 wurden Tarifverhandlungen zwischen der NGG und Vertretern der Fleischindustrie über einen  Mindestlohntarifvertrag geführt. Diese scheiterten Ende 2013. Im Januar 2014 haben NGG und die ANG die Verhandlungen aufgenommen und kamen im Januar 2014 zu einem Ergebnis, das von allen neun ANG-Landesverbänden und der NGG als Mindestlohntarifvertrag unterzeichnet wurde.
Der Mindestlohntarifvertrag wurde über das Arbeitnehmerentsendegesetz erstreckt. So wurde erreicht, dass er zwingend für die Stammbelegschaft, für Beschäftigte bei Subunternehmern und für aus dem Ausland entsendete Beschäftigte gleichermaßen gilt.
Mit dem Mindestlohntarifvertrag wurde eine Tarifbindung für über 80.000 Beschäftigte erreicht.

2015 Selbstverpflichtung

Im Jahr 2015 hat die ANG für die sechs großen Unternehmen der Fleischwirtschaft den Abschluss einer Selbstverpflichtung koordiniert. Darin verpflichten sich die Unternehmen insbesondere, bis Juli 2016 keine Beschäftigten mehr über Entsendungen einzusetzen, sondern nur noch solche, die nach deutschem Sozialversicherungsrecht behandelt werden.
Damit wurde der Trend zu deutschen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, der bereits durch den Mindestlohntarifvertrag eingesetzt hat, erheblich verstärkt.

Inzwischen haben 18 Unternehmen die Selbstverpflichtung unterzeichnet.

Rd. 10.000 Beschäftigte wurden von einer Entsendung in ein deutsches sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis überführt. Die meisten Beschäftigungsverhältnisse wurden bereits während der Verhandlung der Selbstverpflichtung und unmittelbar danach umgestellt.

Besonders erheblich ist der Anstieg in der Kategorie der Dienstleister (Ausbeiner, Zerleger, Kopf- und Lohnschlachter). Hier ist der Anteil an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 2013 bis Ende 2015 von 14.332 Vollarbeiter auf 24.295 Vollarbeiter und damit um fast 70% gestiegen (Zahlen der Berufsgenossenschaft BGN).

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München, 30. Juni 2016: Am 21. September 2015 unterzeichneten die sechs maßgeblichen Unternehmen der Deutschen Fleischwirtschaft auf dem Fleischgipfel mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Berlin die Selbstverpflichtung der Deutschen Fleischwirtschaft. Darin verpflichten sie sich die unterzeichnenden Unternehmen, bis Juli 2016 ihre Strukturen und Organisationen derart umzustellen, dass die in ihren Betrieben eingesetzten Beschäftigten in einem in Deutschland gemeldeten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis arbeiten.

„Diese Selbstverpflichtung war ein wesentlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu deren Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Die Umstellung auf ausschließlich deutsche sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse hat gleichzeitig mehr Transparenz bzgl. der Beschäftigtensituation in der Deutschen Fleischwirtschaft bewirkt.“ So ANG-Hauptgeschäftsführerin Valerie Holsboer.

Schon lange vor Ende der Umsetzungsfrist hat die Selbstverpflichtung Wirkung entfaltet. „Wir wissen aus Gesprächen mit Unternehmen und aus den positiven Rückmeldungen des Zoll und unserer Berufsgenossenschaft, dass die Umsetzung bereits seit Monaten auf Hochtouren läuft.“, so Holsboer. Außerdem haben sich der Selbstverpflichtung, die mit sechs wegweisenden Unterzeichnern startete, inzwischen insgesamt 18 Unternehmen angeschlossen.

Nach dem Abschluss des bundesweiten Mindestlohntarifvertrages aus dem Jahr 2014 ist diese Selbstverpflichtung ein weiterer Meilenstein, die deutsche Fleischwirtschaft als attraktiven Arbeitgeber weiterzuentwickeln und zu positionieren. Die Deutsche Fleischwirtschaft ist der umsatzstärkste und beschäftigungsintensivste Bereich innerhalb der deutschen Lebensmittelwirtschaft, die wiederum eine der drei größten Industrien in Deutschland ist.

Text der Selbstverpflichtung HIER

 

Videos der Pressekonferenz:

https://www.youtube.com/watch?v=w7qNoqRrgJE

https://www.youtube.com/watch?v=Tsrw6CUmKwk

Interview in FleischWirtschaft Ausgabe 10/2015

 

Informationen zum Mindestlohntarifvertrag Fleischwirtschaft:

Der Mindestlohntarifvertrag für die Fleischwirtschaft ist am 1. August 2014 rechtlich verbindlich in Kraft treten. Er hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2017. Die Mindestlöhne für die Fleischwirtschaft betragen pro Stunde einheitlich für Ost und West:

1.08.2014: 7,75 Euro

1.12.2014: 8,00 Euro

1.10.2015: 8,60 Euro

1.12.2016: 8,75 Euro (vom 1.1.2017 bis zum 31.12.2017 abweichend vom gesetzlichen Mindestlohn i.H.v. 8,84 Euro gem. § 24 MiLoG)

 

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