Staatlicher Mindestlohn schwächt Tarifautonomie auch in der Ernährungs- und Genussmittelindustrie
Berlin, 03.02.2022 - Die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss e.V. hat gestern ihre Stellungnahme zum vorgelegten Entwurf des Mindestlohnerhöhungsgesetzes an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgeben.
„Problematisch ist nicht die Höhe, sondern die Art und der Zeitrahmen für die Mindestlohnanpassung. Seit der Einführung im Jahr 2015 bis heute ist der Mindestlohn um 15,5 Prozent erhöht wurden. Die staatliche Festlegung des Mindestlohns auf EUR 12,00 zum 01.10.2022 bedeutet eine Lohnsteigerung von über 22 Prozent innerhalb eines Jahres. Damit ist die Belastung für die Arbeitgeber auch in Relation zu sonst üblichen Tarifsteigerungen unverhältnismäßig hoch und offensichtlich wirtschaftlich nicht tragbar. Denn auch wenn nur für etwa 5 Prozent der Mitarbeitenden in der Ernährungs- und Genussmittelindustrie der Mindestlohn gilt und somit die große Mehrheit deutlich oberhalb der Lohnuntergrenze verdient, so hat jede Mindestlohnanpassung vor allem einen Anpassungsdruck nach oben auf die unteren Tarifentgelte“, so Stefanie Sabet, Hauptgeschäftsführerin der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss e.V.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass zum 1. Oktober 2022 die Lohnuntergrenze auf 12 Euro Brutto je Arbeitsstunde erhöht werden soll. Zum 1. Januar 2022 stieg der Mindestlohn planmäßig auf 9,82 Euro je Stunde. Eine weitere Erhöhung zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro wurde durch die unabhängige Mindestlohnkommission beschlossen. Der Vorschlag des BMAS verkennt, dass mit der ständigen Mindestlohnkommission bereits ein Mechanismus besteht, um einen Mindestlohn mit angemessenen Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem verhältnismäßigen und wirtschaftlich tragbaren Rahmen zu garantieren. Mit dieser Systematik des Ausgleichs wurden bislang durch das Mindestlohngesetz tragfähige und faire Lösungen bei den bisherigen Mindestlohnanpassungen gefunden.
Die ANG weist darauf hin, dass der Gesetzentwurf außer Acht lässt, wie sich die Änderungen auf die Entgeltumwandlung auswirken werden. Um Rechtunsicherheit zu vermeiden ist es notwendig, die Entgeltumwandlung als Ausnahmetatbestand bei der Bruttoverdienstgrenze zuzulassen.
Die Ernährungs- und Genussmittelindustrie beschäftigt in über 6.200 vorwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben rund 620.000 Menschen. Anders als in allen anderen deutschen Industrien werden in der Branche jedes Jahr hunderte von Tarifverträgen in den einzelnen Regionen und Teilbranchen abgeschlossen und neu verhandelt. Es gibt keinen anderen Wirtschaftsbereich in Deutschland, der eine solch differenzierte Tarifpolitik betreibt. Die ANG verbindet als Dachverband die neun sozialpolitischen Landesverbände sowie vier Fachverbände der Ernährungs-und Genussmittelindustrie.